10.2016
Autor Dr. J. Hower, Pädiater
Der Nutzen des Stillens ist unbestritten und wurde in vielen Studien bestätigt. Gestillte Säuglinge erkranken weniger häufig an fieberhaften Atemwegsinfekten, Mittelohrentzündungen und Gastroenteritiden. Australische Leitlinien empfehlen den Müttern deshalb, über das ganze erste Lebensjahr zu stillen. Viele Mütter hören aus unterschiedlichen Gründen früher auf. In einer aktuellen Studie haben zwei australische Autoren nach Gründen gesucht, wann und warum Mütter die Brustfütterung entgegen den allgemeinen Empfehlungen vorzeitig beenden.
Methoden: Australische Erstgebärende im Alter zwischen 18 und 40 Jahren beantworteten 2, 4, 6 und 12 Monate nach der Geburt einen Fragebogen, mit dem ihre Einstellung zur Säuglingsernährung, zum Ernährungsmuster und zum Säuglingsverhalten erfasst wurde. Die Studie wurde zwischen Oktober 2010 und September 2011 durchgeführt.
Ergebnisse: In der Geburtskohorte begannen 97% der Mütter zu stillen, mit einem Jahr hatten 46% der Mütter das Stillen beendet. Die Mütter, die bis zur 26. Woche das Stillen beendet hatten, führten dies überwiegend auf eine unzureichende Milchmenge und mangelnde Sättigung ihres Säuglings zurück. Mütter, die zwischen der 26. und 52. Woche das Stillen beendeten, gaben als häufigsten Grund an, dass ihr Kind das Interesse am Stillen verloren habe. Auch Verletzungen der Brustwarzen führten zu einem Abbruch der Brustfütterung.
Schlussfolgerungen: Die zentralen Probleme, die Mütter als Gründe für die Beendigung des Stillen angeführt hatten, waren Verletzungen der Brustwarzen, eine unzureichende Brustmilchmenge, eine unzureichende Sättigung und später mangelndes kindliches Interesse an der Muttermilch. Mütter bedürfen der Unterstützung beim Stillen, um Verletzungen der Brustwarzen zu vermeiden und die Signale zu Hunger und Sättigung ihrer Kinder besser einschätzen zu können.
Referenz: Newby, RM, Davies, PS. Why do women stop breast-feeding? Results from a contemporary prospective study in a cohort of Australian women. Eur J Clin Nutr 2016 Sep 14
Kommentar & weitere Studienergebnisse: Stillen ist der Goldstandard der Säuglingsernährung. Nicht alle Frauen können oder wollen stillen, aus unterschiedlichen Gründen. Die Gründe, warum Frauen mit dem Stillen aufhören, sind vielfältig und variieren zwischen den einzelnen Ländern. Deshalb ist eine differenzierte Betrachtung der Gründe erforderlich.
Die für Deutschland verfügbaren Daten aus den Jahren 1997/98 weisen aus, dass etwa 90% der Mütter mit dem Stillen beginnen und nach 2 Monaten noch 70% der Säuglinge gestillt werden. Mit 6 Monaten fällt die Stillrate auf 40 bis 50% ab. Die aktuellen, nicht repräsentativen Daten lassen zwischenzeitlich einen leichten, nicht signifikanten Anstieg der Stillhäufigkeit erkennen.
In einer 2014 veröffentlichen kanadischen Studie, an der 500 Mütter beteiligt waren, hörten knapp 74% der befragten Frauen innerhalb von 6 Wochen nach der Geburt mit dem Stillen auf. Die häufigsten genannten Gründe für Stillprobleme waren allgemeine Abgeschlagenheit (22,6%) und Sorgen über eine unzureichende Milchmenge (21,6%). Die Zeit bis zur Rückkehr in den Beruf war ebenfalls mit der Stilldauer assoziiert. Dies war für 20% der Frauen der Grund, das Stillen zu beenden.
In einer US-amerikanischen Studie der CDC (Centers for Disease Control and Prevention), in der die Daten aus den Jahren 2000 bis 2001 analysiert wurden, fingen 32% der Frauen erst gar nicht mit dem Stillen an, 4% hörten bereits in der ersten Woche und 13% innerhalb des ersten Monats auf. 51% stillten länger als 4 Wochen.
Die Gründe, warum mit dem Stillen aufgehört wurde, sind mit den Ergebnissen der australischen und kanadischen Studie vergleichbar. Vor allem während der frühen Postnatalperiode werden verletzte Brustwarzen, keine ausreichende Milchmenge, allgemeine Schwierigkeiten beim Stillen, körperliche Abgeschlagenheit und der Eindruck unzureichender Sättigung als führende Gründe für einen Abbruch angegeben. In der späten Postnatalperiode spielte besonders die nicht ausreichende Milchmenge eine wichtige Rolle. Es wurden in der CDC-Studie aber auch veränderte Lebensumstände, wie Rückkehr zur Arbeit oder zur Schule, genannt. Soziale Umstände beeinflussen die Entscheidung für oder gegen das Stillen ebenfalls. Junge Frauen, deren Schwangerschaft ungewollt war, entschieden sich öfter gegen das Stillen.
Wie lange Frauen stillen, hängt von den Gepflogenheiten und den sozialen Netzwerken der einzelnen Länder ab. Viele Frauen, das ist das Ergebnis aller Studien, würden wahrscheinlich länger stillen, wenn sie besser und mehr unterstützt und beraten würden.
Referenzen: Newby, RM, Davies, PS. Why do women stop breast-feeding? Results from a contemporary prospective study in a cohort of Australian women. Eur J Clin Nutr 2016 Sep 14
Kersting, M, Dulon, M. Assessment of breast-feeding promotion in hospitals and follow-up survey of mother-infant pairs in Germany: the SuSe Study. Public Health Nutr 2002 Aug; 5(4): 547-52
Brown, CR et al. Factors influencing the reasons why mothers stop breastfeeding. Can J Public Health 2014 May 9; 105(3): e179-85
Ahluwalia, IB et al. Why do women stop breastfeeding? Findings from the Pregnancy Risk Assessment and Monitoring System. Pediatrics 2005 Dec; 116(6): 1408-1412