Beeinflussen Antiepileptika in der Muttermilch die kindliche Entwicklung?

08.2020
Autor Dr. J. Hower, Pädiater aus Mühlheim a.d. Ruhr
Stillen dient der kindlichen Entwicklung und Gesundheit. Doch sollen Mütter, die während der Schwangerschaft und Stillzeit Antiepileptika (AED) einnehmen, ihre Kinder überhaupt stillen? Über die Antiepileptika Exposition gestillter Säuglinge liegen bisher keine systematischen Untersuchungen vor. Die bisher vorhandenen Beobachtungen und die Ergebnisse kleinerer Studien lassen keinen Einfluss auf die neurologische und psychologische Entwicklung bis zum Alter von 6 Jahren erkennen. Mit der aktuellen Studie sind die Autoren dieser Frage noch einmal nachgegangen.
Methode: Die prospektive Kohortenstudie wurde bei Kindern bis zum Alter von 6 Jahren an schwangeren Müttern mit Epilepsie erhoben. Ergebnisziel war die Erfassung der AED-Exposition über das Stillen.
Ergebnis: Von den 345 Säuglingen wurden 64,3% gestillt. Die meisten Mütter erhielten eine AED-Monotherapie (87,4%). Der mittlere Prozentsatz der Säuglings-AED-Serumkonzentration wurde im Verhältnis zur mütterlichen Konzentration für 7 AEDs und 1 Metaboliten (Carbamazepin 5,7%, Carbamazepin-10,11-epoxid 5,4%, Levetiracetam 5,3%, Lamotrigin 28,9%, Oxcarbazepin 0,3%, Topiramat 17,2%, Valproat 21,4% und Zonisamid 44,2%) bestimmt und reichte von 0,3% bis 44,2%. In multiplen linearen Regressionsmodellen war die mütterliche Konzentration ein signifikanter Faktor, der nur mit der Lamotriginkonzentration bei Säuglingen, nicht jedoch mit der Levetiracetam-Konzentration verbunden war. Bei 49% aller gemessenen AED-Konzentrationen gestillter Säuglinge lagen die AED-Blutwerte unter der Nachweisgrenze.
Fazit: Insgesamt waren die AED-Blutkonzentrationen wesentlich niedriger als die mütterlichen AEDBlutkonzentrationen. In Anbetracht des bekannten Stillnutzens und früherer Studien, in denen keine negativen Auswirkungen mütterlicher AED auf die kindliche Entwicklung über die Muttermilch nachgewiesen werden konnten, unterstützen die aktuellen Ergebnisse das Stillen von Müttern, die eine antikonvulsive Therapie erhalten.
Referenzen:
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