04.2024
Autorin Lara Mönter
Eine gesunde und ausgeglichene Mikrobiota ist in vielerlei Hinsicht wichtig für unsere Gesundheit. Bei einer Spontangeburt kommt ein Neugeborenes unweigerlich mit der Mikrobiota der Mutter in Kontakt. Eine Studie aus den USA fand nun heraus, dass eine Angleichung zwischen den rektalen und vaginalen Bakterienfloren der Mutter im letzten Schwangerschaftsdrittel stattfindet, und stellt Vermutungen an, warum dies passieren könnte.
Ergebnisse der Studie um Domiguez-Bello et al.
Ein Forscherteam rund um die US-Mikrobiologin Maria Gloria Dominguez-Bello verglich Proben der rektalen und vaginalen Bakterienflora von Frauen nach sechs und acht Schwangerschaftsmonaten sowie zwei Monate nach Geburt. Dabei stellten sie fest, dass eine Angleichung zwischen dem Mikrobiom des Darms und dem der Vagina stattfindet. Die meisten Veränderungen fanden in der Vagina statt. Die Anzahl an Bakterien die sich zwischen Darm und Vagina in ihrer Menge unterscheiden war in der Schwangerschaft höher (52) als nach der Geburt (45). Die Anzahl der verschiedenen Bakterienarten nahm im Darm über den untersuchten Zeitraum hinweg kontinuierlich ab. Die Anzahl der in der Vagina nachgewiesenen Bakterienarten war nach der Geburt am höchsten. Postnatal war die Menge an nachgewiesenen Laktobazillen rektal und vaginal niedriger als in der Schwangerschaft und die Menge an Darmbakterien wie Firmicutes und Bacteroidetes stieg vaginal an (Shin et al., 2023).
Bedeutung der Besiedlung der kindlichen Darmflora
Die Bedeutung der Besiedlung der kindlichen Darmflora ist noch nicht hinreichend erforscht. Die Studienlage deutet aber darauf hin, dass eine physiologische und ausgeglichene Besiedlung zahlreiche positive Auswirkungen hat. So bilden die erwünschten Bakterien eine natürliche Barriere gegen Fremdkeime und entfalten eine bakterizide Wirkung. Sie unterstützen die Heranreifung des Immunsystems (Collado et al., 2012) und senken das Risiko für Übergewicht, Allergien, Diabetes, Darmerkrankungen und Infektionen. Die Darmbesiedlung beginnt bereits im Mutterleib (Houghteling & Walker, 2015) und gilt mit Abschluss des ersten Lebensjahres als abgeschlossen (Palmer et al., 2007). Die Autoren der US-amerikanischen Studie um Dominguez-Bello deuten ihre Ergebnisse so, dass die vermehrte Anzahl an Laktobazillen am Schwangerschaftsende einen Schutz gegen Infektionen darstellt. Sie vermuten, dass die Angleichung der beiden Mikrobiota einer möglichst diversen Exposition des Kindes beim Geburtsvorgang mit verschiedenen Bakterienarten, besonders Darmbakterien, dient, um eine physiologische Bakterienbesiedlung des kindlichen Darms zu ermöglichen (Shin et al., 2023).
Negative Faktoren für die Darmbesiedlung
Bei einem Spontanpartus wird die Darmflora des Kindes durch Kontakt mit der maternalen Vaginal- und Rektalflora besiedelt. Es ist bekannt, dass das Mikrobiom eines Kindes nach Sectiogeburt vermehrt Hautbakterien anstelle von Darmbakterien der Mutter in der eigenen Darmflora aufweist (Dominguez-Bello et al., 2010). Außerdem weisen Kinder nach Sectiogeburt einen niedrigeren Tumornekrosefaktor und weniger Interleukin-18, Signalstoffe des Immunsystems, auf (Wampach et al., 2018). Die Besiedlung mit pathogenen Krankenhauskeimen ist hingegen höher. Auch eine Antibiotikatherapie unter Geburt hat negative Auswirkungen auf die Darmbesiedlung. Stillen hingegen hat eine protektive Wirkung (Shao et al., 2019).
Vaginal Seeding
Eine neuere Methode, um die unzureichende Besiedlung der kindlichen Darmflora bei Sectiogeburten einzuschränken, ist das sogenannte Vaginal Seeding. Die Mutter legt sich kurz vor dem Eingriff sterile Tupfer in den Scheideneingang. Unmittelbar nach der Geburt wird das Kind mit diesem im Gesicht und im Mundbereich abgetupft, um so einen Kontakt zwischen der maternalen Vaginalflora und dem Kind zu ermöglichen. Eine Studie von Song et al. aus dem Jahr 2021 deutet darauf hin, dass diese Praxis zu einer positiveren Besiedlung der Darmmikrobiota des Kindes führt und so dem Risiko einer Fehlbesiedlung nach Sectiogeburt entgegenwirkt. Da es aber noch an randomisierten klinischen Studien zu dem Thema fehlt, sprechen sich die DGGG und der DHV bisher noch nicht für das Vaginal Seeding aus.