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Koffein in der Schwangerschaft – wirklich kein Problem?

03.2022
Autorin Alexandra Lesmann, Hebamme und Ökotrophologin aus Hamburg

Zwei Tassen Kaffee oder Tee pro Tag seien in der Schwangerschaft unbedenklich, heißt es oft. Eine Evidenzanalyse aus dem Jahr 2020 kommt zu gänzlich anderen Empfehlungen.

Bisherige Empfehlung
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt Schwangeren, den Konsum von 200 mg Koffein pro Tag nicht zu überschreiten. Bis zu dieser Grenze sei ein über den Tag verteilter Konsum dieser Menge gefahrlos. Eine Tasse Filterkaffee (200 ml) enthält etwa 90 mg Koffein.

Wirkung von Koffein
Koffein passiert als psychoaktives Alkaloid die Blut-Hirn-Schranke nahezu ungehindert und wirkt im Wesentlichen auf das zentrale Nervensystem. Koffein ist plazentagängig, so dass Feten gleiche Koffeinspiegel wie die Schwangeren aufweisen. Neben der Wirkung auf das Müdigkeitsempfinden durch die Besetzung der Adenosinrezeptoren hat Koffein u.a. eine blutdrucksteigernde Wirkung.

Der Abbau erfolgt bei Erwachsenen primär in der Leber durch das Enzym Cytochrom P450 1A2, das jedoch erst nachgeburtlich ausgebildet wird. Bis in das Kleinstkindalter erfolgt die Ausscheidung zu 80 % unverändert über die Nieren im Urin bzw. beim Fetus über den Abbauweg der Schwangeren. Der Koffeinmetabolismus entspricht im ersten Trimenon dem vorschwangerschaftlichen. Im letzten verlangsamt sich dieser auf ca. 30 %. Die Eliminationshalbwertszeit (t 1/2) von Koffein im Blut erhöht sich von 5 Stunden im Mittel auf bis zu 18 Stunden in der 38. Schwangerschaftswoche.

Evidenzanalyse
Die vorliegende Evidenzsynthese von Prof. Jack E. James, Universität Reykjavik, aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, dass Schwangeren generell von Koffeinkonsum abzuraten ist. Die Mehrheit der ausgewerteten Beobachtungs- und Meta-Studien indiziere einen Zusammenhang von schwangerschaftlichem Koffeinkonsum und erheblichen Risiken wie Früh- und Totgeburten, kindlichem Übergewicht und Adipositas sowie einem erhöhtem Leukämierisiko der Kinder. Aus vorliegenden Daten lasse sich daher eine bedenkenfreie Höchstgrenze, wie die der EFSA, nicht sicher ableiten.

Kommentar
Insgesamt ist die Studienlage sehr unübersichtlich. Tatsächlich deuten diverse Studien auf erhebliche Risiken in der Schwangerschaft hin. In der Ernährungsberatung von Schwangeren ist es daher ratsam, ein grundsätzliches Verständnis für mögliche Gefahren durch Koffein zu vermitteln und einen vollständigen Verzicht nahezulegen, insbesondere da dem Koffein kein ernährungsphysiologischer Wert zukommt. Hinweise sollten auch zur kaffee- und teebedingt durch enthaltene Gerbstoffe verminderten, für viele Schwangere jedoch sehr wichtigen Eisenaufnahme erfolgen. 

Zu bedenken ist zudem die Eliminationsviertelwertzeit (t 1/4) von Koffein im Organismus. Sie beträgt entsprechend 10 bis 36 Stunden. Die Zeit, in der der Fetus dem Koffein im Blutkreislauf ausgesetzt ist, ist mithin deutlich länger als viele Schwangere vermuten. Unter ungünstigen Umständen könnte es durch über den Tag verteilten, täglichen Konsum koffeinhaltiger Getränke zu kontinuierlicher Nachweisbarkeit von Koffein im Organismus kommen.

Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ spricht sich entsprechend für keine konkrete Koffein-Menge aus, verweist auf den oben genannten Orientierungswert der EFSA und empfiehlt einen zurückhaltenden Konsum koffeinhaltiger Getränke in der Schwangerschaft.

Referenzen:
Jack E. James. Maternal caffeine consumption and pregnancy outcomes: a narrative review with implications for advice to mothers and mothers-to-be; BMJ Evidence-Based Medicine (2021) 26; 114–115; UK 2021; BMJ Publishing Group Ltd.
EFSA. Scientific Opinion on the safety of caffeine; Journal 2015;13(5):4102.
Andrea M. Spaeth et al. The Cumulative Neurobehavioral and Physiological Effects of Chronic Caffeine Intake: Individual Differences and Implications for the Use of Caffeinated Energy Products; Nutrition Reviews, 2014; 72, 1, p 34–47; UK 2014; Oxford University Press.
Ling-Wei Chen et al. Associations of maternal caffeine intake with birth outcomes: results from Lifeways Cross Generation Cohort Study; The American Journal of Clinical Nutrition (2018) 108; 1301–1308; USA 2018; The American Society for Nutrition.
Netzwerk Gesund ins Leben. Wie viel Kaffee und Koffein in der Schwangerschaft? Nachgefragt beim Netzwerk Gesund ins Leben. URL: Wie viel Kaffee und Koffein in der Schwangerschaft? - Gesund ins Leben (gesund-ins-leben.de) (08.03.2022)