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Entscheidungen zur Therapie von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit auf eine breitere Grundlage stellen

07.2023
Autor Professor E. Harms, Universitäts-Kinderklinik Münster

Die Entscheidung zu einer Intensivtherapie von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit ist ein medizinethisches Dilemma. In Norwegen bestimmen die Richtlinien, dass ab der 25. Schwangerschaftswoche (SSW) die Intensivtherapie die Regel ist. Die Praxis ist aber, dass 97 % der Neugeborenen aus der 24. SSW, 74 % aus der 23. und 19 % aus der 22. SSW auf eine Neugeborenen-Intensivstation verlegt werden. Wie weit die Eltern in die Entscheidung mit einbezogen wurden, ist nicht erfasst. In einer norwegischen Studie wurden 80 praktisch tätige Pädiater nach einer obligatorischen neonatologischen Schulung anonym befragt, wie sie sich im Falle der 26. bis 22. Schwangerschaftswoche verhalten würden, wenn es sich um ihr eigenes Kind handelte. Nur 1 Teilnehmer würde eine Intensivtherapie für die 22. bis 23. SSW befürworten, 11 für die 24. SSW, 47 für die 25. SSW, 63 für die 26. SSW. Die anderen Teilnehmer antworteten jeweils mit „unsicher“ oder Ablehnung.

Kommentar:
Gegen diese Befragung kann man einwenden, dass mit der Antwort auf eine hypothetische Frage noch nicht gesagt ist, was in der Lebenswirklichkeit tatsächlich geschieht. Die Diskrepanz zur gängigen Praxis der neonatologischen Versorgung reflektiert die Problematik dieses Graubereichs ärztlicher Entscheidungen. Entscheidungen wie diese sollten den ethisch-moralischen Normen einer Gesellschaft entsprechen. Die Autoren plädieren daher dafür, neben den Eltern auch Pädiater mit Langzeiterfahrung in der Betreuung Frühgeborener, Pädagogen und Ethiker in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.

Referenz:
[1] Syltern J, Markestad T. Norwegian paediatric residents surveyed on whether they would want life support for their own extremely preterm infant. Acta Paediatrica 2023; 112: 645–646.