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Beeinflussen mütterliche Essstörungen die kindliche Entwicklung?

01.2018
Autor
Dr. J. Hower, Pädiater

Die aktuelle Forschung hat sich in den letzten Jahren mit den Auswirkungen mütterlicher Essstörungen (ES) auf ihre Kinder beschäftigt. Bisher konnten negative Einflüsse auf die autonome, sprachliche und motorische Entwicklung nachgewiesen werden. Mit dieser Studie wurden erstmals die Auswirkungen auf das Verhalten und die kognitive Entwicklung bei Neugeborenen und Säuglingen von Müttern mit ES untersucht.

Frauen mit einer vorangegangenen oder aktiven ES wurden zusammen mit gesunden Frauen für eine prospektive Longitudinalstudie im ersten oder zweiten Schwangerschafts-Trimenon rekrutiert. Neugeborene und Säuglinge von Müttern mit ES wurden mit Neugeborenen und Säuglingen gesunder Mütter hinsichtlich einer Verhalten-Dysregulation 8 Tage postpartum (aktive ES, n= 15; vorangegangene ES, n= 20; gesunde Kontroll-Mütter, n= 28) und hinsichtlich ihrer kognitiven Entwicklung ein Jahr post partum (aktive ES, n= 18; vorangegangene ES, n= 19; gesunde Kontroll-Mütter, n= 28) miteinander verglichen.

Neugeborene von Müttern mit aktiver ES zeigten postpartal (am 8. Lebenstag) im Vergleich zu Neugeborenen gesunder Kontroll-Mütter eine schlechtere autonome Stabilität. Bei einer vorangegangenen mütterlichen ES wiesen die Säuglinge nach einem Jahr eine verzögerte Sprach- und motorische Entwicklung im Vergleich zu den Kindern gesunder Kontroll-Mütter auf. Bei der Auswertung wurden das mütterliche Alter, Ausbildung, Depressionen, Angststörungen, das kindliche Geschlecht und das Geburtsgewicht im Rahmen eines statistischen Modells berücksichtigt.

Kinder von Müttern mit ES zeigen schon früh nach der Geburt eine autonome Dysregulation und eine verzögerte sprachliche und motorische Entwicklung nach einem Jahr. Die Ergebnisse weisen auf frühe neurobiologische Marker bei diesen Risikokindern hin. Unterschiedliche Ergebnisse bei Kindern von Frauen mit aktiver im Vergleich zu vorangegangener ES lassen vermuten, dass vor allem die aktive ES während der Schwangerschaft die autonome Reagibilität (nicht willentlich gesteuerte körperliche Reaktion) postpartal beeinflusst, während kognitiven Befunde nach einem Jahr stabilere Marker für das langfristige Entwicklungsrisiko sein könnten.

Barona, M et al. Neurobehavioural and cognitive development in infants born to mothers with eating disorders. J Child Psychol Psychiatry 2017 Aug; 58(8): 931-938

Kommentar: Die mütterliche Ernährung vor und während der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt beeinflusst die kindliche Gesundheit. Lebenslange mütterliche Essstörungen und mütterlicher Stress, Depressionen und Angststörungen, erhöhen das Risiko kindlicher Essstörungen, die wiederum den mütterlichen Stress erhöhen. Die Daten für einen Einfluss prä- und perinataler Faktoren auf das kindliche Essverhalten sind widersprüchlich. Es konnte noch nicht geklärt werden, wie groß die Einflussfaktoren sind und ob sie auf umgebungsabhänge oder genetische Risikofaktoren zurückgeführt werden müssen. Pränatale ES und mütterlicher Stress, zum Beispiel durch Tod eines nahen Angehörigen, erhöhen das Risiko für ES bei Säuglingen und Kleinkindern. Die aktuelle Studie von Barona   lässt einen Einfluss der mütterlichen ES auf die kindliche Verhaltensentwicklung vermuten. Da diese Studie mit kleinen Fallzahlen durchgeführt wurde und sollte sie mit größeren Fallzahlen bestätigt werden.

Referenzen:
Barona, M et al. Neurobehavioural and cognitive development in infants born to mothers with eating disorders. J Child Psychol Psychiatry 2017 Aug; 58(8): 931-938
Hoffman, ER et al. A comparison of infant and toddler feeding practices of mothers with and without histories of eating disorders. Matern Child Nutr 2014 Jul; 10(3): 360-372
Su, X et al. Prenatal maternal bereavement and risk of eating disorders in infants and toddlers: a population-based study. BMC Psychiatry 2015 Sep 24; 15:229
Micali, N et al. Maternal eating disorders and infant feeding difficulties: maternal and child mediators in a longitudinal general population study. J Child Psychol Psychiatry 2011 Jul; 52(7): 800-807