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Schützt eine Intervention den Beckenboden bei prolongierter Austreibungsphase vor Langzeitschädigung?

09.2024
Autorin Lara Mönter, B.Sc. Hebammenkunde, Hebamme aus Fiersbach

Etwa 10 bis 20 % aller Erstgebärenden haben eine Geburt mit prolongierter Austreibungsphase von mehr als 3 Stunden (ACOG, 2003). Eine Studie aus Schweden untersucht nun erstmals, welche Langzeitauswirkungen dies auf den Beckenboden der Gebärenden hat und ob Interventionen wie eine Vakuumextraktion oder eine Sectio möglichen Dysfunktionen des Beckenbodens bei prolongierter Austreibungsphase vorbeugen kann (Bergendahl et al., 2024).

Hintergrund

Eine Austreibungsphase gilt als prolongiert, wenn sie länger als 3 Stunden dauert (ACOG, 2003). Es ist bekannt, dass eine prolongierte Austreibungsphase Risiken für Mutter und Kind birgt. So steigt mit der Dauer der Austreibungsphase für die Gebärende das Risiko für eine Chorioamnionitis und Geburtsverletzungen dritten und vierten Grades. Auf kindlicher Seite erhöht sich das Risiko, eine Sepsis oder eine Asphyxie zu erleiden (Laughin et al., 2014). Die erhöhte Inzidenz von schwerwiegenden Geburtsverletzungen ist Grund zur Annahme, dass eine prolongierte Austreibungsphase negative Langzeitfolgen für die Beckenbodenfunktion nach sich ziehen kann. Ob und wann eine Intervention sinnvoll ist, um Langzeitfolgen für den mütterlichen Beckenboden zu vermeiden, war bisher nicht hinreichend erforscht. So findet sich in den AWMF-Leitlinien der Hinweis, dass „der optimale Zeitpunkt für eine geburtshilfliche Intervention in dieser Phase (Austreibungsphase) nicht evidenzbasiert abgeleitet werden“ kann (AWMF, 2020).

Eine retrospektive Kohortenstudie aus Schweden untersucht nun bei 1302 Erstgebärenden Beckenbodenschädigungen ein Jahr nach Geburt und vergleicht Spontangeburten mit Vakuumextraktionen und Sectiones, um herauszufinden, ob und wann eine Intervention protektiv gegen Schädigungen des Beckenbodens wirkt (Bergendahl et al., 2024).

Methode

Die retrospektive Kohortenstudie von Bergendahl et al. (2024) untersuchte 1302 Erstgebärende, die zwischen Dezember 2017 und November 2018 eine Austreibungsphase von mindestens 3 Stunden hatten. Die Frauen erhielten ein Jahr nach Geburt einen Fragebogen, in welchem Langzeitschädigungen des Beckenbodens erfasst wurden. Erfragt wurden Symptome von Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Organprolaps. Verglichen wurden Spontangeburten, Vakuumextraktionen und Sectiones.

Ergebnisse

Die Auswertung der Fragebögen zeigte, dass 35,1 % aller befragten Frauen ein Jahr nach Geburt Dysfunktionen des Beckenbodens aufwiesen. Mit zunehmender Dauer der Austreibungsphase stieg auch die Anzahl an Vakuumextraktionen und Sectiones. Die höchste Inzidenz an Einschränkungen der Beckenbodenfunktion wies die Gruppe der Frauen auf, die per Vakuumextraktion geboren hatten, sowohl nach 3 bis 4 Stunden als auch nach 4 bis 5 Stunden. Je länger die Dauer der Austreibungsphase war, desto höher war das Risiko für eine Dysfunktion. Frauen, die nach 3 bis 4 Stunden per Sectio geboren hatten, wiesen die niedrigste Inzidenz an Dysfunktionen des Beckenbodens auf. Der Unterschied zu Spontangeburten nach 3 bis 4 Stunden war jedoch nicht signifikant. Nach 5 Stunden waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Geburtsmodi mehr feststellbar (Bergendahl et al., 2024).

Fazit

Die AutorInnen der Studie konnten keinen protektiven Einfluss der geburtshilflichen Interventionen Vakuumextraktion oder Sectio feststellen. Der Geburtsmodus Vakuumextraktion wies einen negativen Einfluss auf die Beckenbodenfunktion der Frauen ein Jahr nach Geburt auf. Wenn eine Erstgebärende eine prolongierte Austreibungsphase hat, ist das Risiko für eine Beckenbodendysfunktion hoch, jedoch schützt eine Intervention sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Ob eine Geburt bei prolongierter Austreibungsphase durch eine Intervention beendet wird, wirkt sich also nicht auf den Faktor des Schutzes der Beckenbodenfunktion der Frau aus. Daher ist es wichtig, die Frau nach prolongierter Austreibungsphase über mögliche Langzeitfolgen aufzuklären, um ihr bei Auftreten von Komplikationen den Zugang zu medizinischer Unterstützung zu erleichtern und ihr die Wichtigkeit von Rückbildungsübungen aufzuzeigen.

Referenzen:
ACOG (2003). ACOG Practice Bulletin Number 49, December 2003: Dystocia and Augmentation of Labor, Zugriff unter: www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0029784403011621 am 21.08.2024.
AWMF (2020). S3-Leitlinie Die vaginale Geburt am Termin, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaften e.V., Zugriff unter: register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-083 am 21.08.2024.
Bergendahl, S., Sandström, A., Zhao, H., Snowden, J. M., Wendel, S. B. (2024). Pelvic floor dysfunction after intervention, compared with expectant management, in prolonged second stage of labour: A population-based questionnaire and cohort study, in: BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, 131(9), S. 1279–1289.
Laughon, S. K., Berghella, V., Reddy, U. M., Sundaram, R., Lu, Z., Hoffman, M. K. (2014). Neonatal and maternal outcomes with prolonged second stage of labor, in: Obstet Gynecol., 124(1), S. 57–67.