08.2021
Autorin Christina Altmann, Hebamme aus Bremen
Bis heute scheint es nicht für jede Schwangere selbstverständlich oder möglich zu sein, den persönlichen Alkoholkonsum zu beenden oder zu reduzieren. Mittlerweile gilt es jedoch als erwiesen, dass bereits geringer Alkoholkonsum in einer Schwangerschaft zu einem breiten Spektrum von gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Ungeborenen führen kann. Ein Überblick über Ausmaß und Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft.
Faktencheck: Alkoholkonsum bei Frauen
Die Sichtweise auf Alkohol im Allgemeinen hat seit den 1960er-Jahren eine Wandlung erfahren: Positive soziologische Entwicklungen haben Berufstätigkeit, gesellschaftliche Einbindung, finanzielle Unabhängigkeit und veränderte Moralvorstellungen von Frauen bis heute so verändert, dass auch der weibliche Alkoholkonsum sich weitgehend dem von Männern angeglichen hat. Zwar trinken gesunde Frauen absolut immer noch geringere Mengen als Männer, jedoch hat der riskante Alkoholkonsum (d.h. mehr als 12 g Reinalkohol pro Tag) bei ihnen in den letzten Jahren zugenommen. Etwa 14 % aller Frauen trinken Alkohol in riskanter Menge, weitere knapp 600.000 sind alkoholabhängig. Dabei fällt auf, dass weiblicher Alkoholkonsum und -missbrauch am häufigsten bei Frauen aus hohen soziökonomischen Schichten auftritt. Die Auseinandersetzung mit der Thematik des Alkoholkonsums betrifft jedenfalls unweigerlich auch Schwangere und ihre betreuenden Fachpersonen.
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
Auch während der Schwangerschaft konsumiert jede fünfte Frau (20 %) mindestens gelegentlich Alkohol, 8 % der Schwangeren trinken dabei sogar gesundheitlich bedenkliche Mengen. Dies geschieht teils aus Unkenntnis über eine vorliegende (Früh-)Schwangerschaft, teils aus Unkenntnis des Schädigungspotentials von Alkoholkonsum. Auch die gesellschaftliche Legitimation der Droge und die damit einhergehende Scham des Nein-Sagens können eine Rolle spielen. Es ist jedoch hinreichender wissenschaftlicher Konsens, dass es für Schwangere keine unbedenkliche Trinkmenge und keine Schwangerschaftsphase gibt, in der Alkoholkonsum sicher wäre. Alkohol fungiert zu jeder Zeit als plazentagängiges Zellgift, das ungehindert zum ungeborenen Kind gelangt.
Das betroffene Kind – Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD)
Alkoholkonsum stellt die häufigste erklärbare Ursache für Entwicklungsstörungen im Kindesalter dar. Diese mentalen Schäden sind irreversibel und betreffen die Bereiche Wachstumsstörungen, Fehlbildungen sowie Störungen des zentralen Nervensystems. Pro Jahr kommen in Deutschland etwa 10.000 Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen auf die Welt, davon weisen 3000 bis 4000 das Vollbild eines Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) auf, das weniger als 10 % von ihnen ein selbstständiges Leben ermöglicht. Konsensbasierte Empfehlungen sowie die verfügbare Evidenz wurden in der S-3-Leitlinie „Fetale Alkoholspektrumstörungen, FASD-Diagnostik“ zusammengetragen, die aktuell überarbeitet wird.