02.2023
Autorin Alexandra Lesmann, Hebamme und Ökotrophologin aus Hamburg
Übergewicht und Adipositas, die den gesamten Prozess der Fortpflanzung beeinflussen, haben in Deutschland weiter zugenommen. Daten des RKI zufolge waren 2019 bereits 27,6 % der Frauen in Deutschland übergewichtig und zusätzlich 19 % adipös. Neben damit verbundenen kardiovaskulären Risiken deuten medizinische Erkenntnisse deutlich auch auf erhebliche Beeinträchtigungen im Rahmen der Schwangerschaft und deren Planung hin.
Adipositas als multifaktorielle Erkrankung resultiert grundsätzlich aus einer positiven Energiebilanz, d. h. in Relation zum Verbrauch werden mehr Kalorien zugeführt, nicht zwingend, aber häufig durch den Verzehr kalorisch sehr dichter Lebensmittel wie Snacks, Weißmehlprodukte, zuckerhaltige Limonaden o. Ä. Ab einem BMI von > 25,0 geht die WHO von Übergewicht/Präadipositas, ab einem Wert von 30,0 von Adipositas in drei Abstufungen aus.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Übergewicht und insbesondere Adipositas mit einer teils erheblichen, aus dem Fettgewebe resultierenden Inflammation des gesamten Körpers, einer Veränderung des Hormonhaushaltes auf vielen Ebenen und körperlichen Veränderungen einhergehen, die in ihrer Gesamtheit maßgeblichen negativen Einfluss auf die Fertilität, einen physiologischen Verlauf der Schwangerschaft, den Geburtsverlauf und die spätere Gesundheit des Kindes haben.
Aufgrund der Vielschichtigkeit und fachlichen Tiefe der möglichen problematischen Auswirkungen auf alle Aspekte der Fortpflanzung durch Adipositas seien folgende nur überblicksweise genannt:
- Verringerte Fekundabilität durch Ovulationsstörungen und eingeschränkte Eizellqualität
- häufigere Erkrankung am polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS)
- niedrigere Implantations- und Schwangerschaftsraten
- höhere Fehleranfälligkeit pränataler Diagnostiken
- erhöhtes Risiko für fast alle bekannten fetomaternalen Komplikationen, wie z. B. Präeklampsie oder Gestationsdiabetes
- häufigere geburtsmechanische Komplikationen wie Schulterdystokien und Geburtsstillstände
- Veränderung des Mikrobioms bei Mutter und Kind mit einhergehender Wahrscheinlichkeitserhöhung für Adipositas im Kindesalter.
Je übergewichtiger die Betroffene ist, desto mehr pathologische Veränderungen und Risiken sind zu erwarten. Es zeigte sich zudem, dass eine starke Gewichtszunahme kurz vor der Schwangerschaft besonders negative Auswirkungen hat.
Neben einer ggf. erforderlichen medikamentösen Behandlung, etwa bei Diabetes mellitus Typ II oder sogar im Wege bariatrischer Operationen, ist in erster Linie mit Veränderungen in bisherigen Ernährungsmustern zu reagieren.
Neben der erforderlichen, nicht immer einfachen Ernährungsumstellung von kalorisch dichten Lebensmitteln hin zu einer nährstoffreichen, vielfältigen Ernährung spielt auch der Zeitpunkt eine essentielle Rolle. Ein gewichtsreduzierender Lebenswandel sollte nicht unbedingt vor der Schwangerschaft beginnen, das Abnehmen und spezielle Diäten allerdings auch vor der Schwangerschaft beendet werden. Gerade im häufig überschüssigen viszeralen Fettgewebe sind teils toxische Stoffe eingelagert, die bei einer Diät freigesetzt werden können. Während der Schwangerschaft ist eine Mangelernährung tunlichst zu vermeiden. Minderwertige Lebensmittel wie Fertigprodukte, Snacks u. Ä. sollten durch eine nährstoffreiche Kost ersetzt werden. Eine Gewichtsreduktion um 5 bis 10 % zeigte bereits messbare positive Veränderungen auf hormoneller Ebene.