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Interventionen im frühen Kindesalter zur Prävention der Adipositas: Eine prospektive Meta-Analyse individueller Teilnehmer-Daten von vier Studien

08.2020
Autor Dr. Jürgen Hower, Pädiater
aus Mühlheim a.d. Ruhr

Die kindliche Adipositas ist ein globales, die spätere allgemeine Gesundheit der Bevölkerung gefährdendes Problem. Die Effektivität von Interventionen könnte vielleicht wirksamer und anhaltender sein, wenn sie bereits im Säuglingsalter beginnen würden, bevor Stoffwechsel- und Verhaltensmuster etabliert sind. Mit einer prospektiv geplanten, individuellen Teilnehmerdaten-Meta-Analyse (individual participant data prosepective meta-analysis) von vier randomisierten, kontrollierten Studien haben die Autoren die Wirksamkeit der frühen Intervention untersucht. 

Methode:
Studienteilnehmerinnen waren Erstmütter von Termingeborenen. Die Interventionen begannen während der Schwangerschaft oder im frühen Kindesalter mit einer umfassenden Aufklärung und Unterstützung durch Gruppensitzungen und/oder Hausbesuche. Die Familien der Kontrollgruppe erhielten keine Schulung, hatten aber Zugang zur bestehenden lokalen Gesundheitsversorgung. Primäre Ergebnisziel war die Erfassung des Body-Mass-Index (BMI) und des z-Scores nach 18 bis 24 Monaten. Sekundäre Ergebnisziele waren die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas, die Qualität der kindlichen Diät (Konsum von Früchten, Gemüse, Süßgetränken und hochkalorischen, aber Mikronährstoff-armen Nahrungsmitteln), Bewegungsverhalten, Bildschirmzeit und Schlafverhalten.

Der primäre BMI-z-Score im Alter zwischen 18-24 Monaten wurde unter Berücksichtigung des Geburtsgewichtes für 1.676 auswertbare Mutter-Kind-Paare (76% der randomisierten Stichprobe) ermittelt. 

Ergebnisse: Eine frühe Intervention war mit einer längeren Brustfütterung im Vergleich zu Kontrollkindern (35 Wochen versus 28 Wochen) und einer reduzierten Bildschirmzeit verbunden. Sie verbesserte auch die berichtete Ernährungspraxis und führte zu einer besseren kindlichen Kontrolle der Nahrungsaufnahme. Die Interventionskinder wiesen nach Berücksichtigung des Geburtsgewichtes im Alter von 18 bis 24 Monaten einen um -0,12 Kg/m2 bereinigten erniedrigten mittleren BMI-z-Score auf als die Kontrollkinder (Hazard Ratio -0,12 für bereinigten Mittelwert; 95% Konfidenzintervall -0,22 bis -0,02, P = 0,017). Für die sekundären Ergebnisziele bestand eine erhebliche Heterogenität in der Ernährungspraxis (Nahrungsmittelkontrolle), aber nicht für die übrigen definierten Variablen. Verbesserungen wurden auch für eine reduzierte Bildschirmzeit und eine längere Stillzeit nachgewiesen.

Fazit:

Elternfokussierte Interventionsprogramme, die bereits im frühen Kindesalter beginnen, führen zu einer bescheidenen Reduktion des BMI z-Score. In größerem Umfang durchgeführt, können diese Ergebnisse trotzdem die öffentliche Gesundheit positiv beeinflussen.

Referenzen:
Askie LM et al. Interventions Commenced by Early Infancy to Prevent Childhood obesity – The EPOCH Collaboration: An Individual Participant Data Prospective Meta-Analysis of Four Randomized Controlled Trials. Pediatr Obes 2020 Jun; 15(6): e1261
Freedman DS et al. Tracking and variability in childhood levels of BMI: the Bogalusa heart study. Obesity (Silver Spring) 26: 1197-1202
Singh AS et al. Tracking of childhood overweight into adulthood: a systematic review of the literature. Obes Rev 2008; 474-488

Kommentar:

Mehr als 50% aller Erwachsenen leiden in Deutschland an Übergewicht oder an Adipositas. Die Daten der letzten Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren (KiGGS Welle 2, 2014-2017) weisen eine Übergewichtshäufigkeit von 15,4% bei einer Adipositasprävalenz von 5,9% aus. Im Vergleich zur KiGGS-Basiserhebung (2003-2006) konnte kein weiterer Anstieg der Prävalenz beobachtet werden. Übergewicht und Adipositas in der Kindheit sind signifikante Prädiktoren für späteres Übergewicht und Adipositas, die mit einem erhöhten kardialen Risiko verbunden sind.
Vorhandene Studien lassen erkennen, dass das Übergewichts- und Adipositas-Risiko über Schwangerschaft und Kindheit modifiziert werden und damit auch das Morbiditätsrisiko gesenkt werden kann. Eine schnelle Gewichtszunahme im Säuglingsalter gilt als Risikofaktor und Stillen als Schutzfaktor späterer Fettleibigkeit. Über den schützenden Effekt des Stillens wird in mehreren Beobachtungsstudien berichtet, wobei bisher keine randomisierten kontrollierten Studien vorliegen. Die Ergebnisse der aktuellen Studie von Askie et al. zeigen, dass der BMI z-Score über interventionellen Maßnahmen im frühen Säuglingsalter beeinflusst werden kann. Eine längere Stillzeit, eine bessere Ernährungspraxis und eine reduzierte Bildschirmzeit verringern das Übergewichtsrisiko. 

Es scheint sinnvoll zu sein, möglichst früh in die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas, einzugreifen, auch wenn der Erfolg bescheiden ist. Die geringe Effektstärke vorhandener Programme könnte vielleicht zukünftig mit zunehmender Kenntnis beteiligter ethnischer, mikrobiologischen, genetischer und epigenetischer Faktoren verbessert werden.

Referenzen: 
Askie LM et al. Interventions Commenced by Early Infancy to Prevent Childhood obesity – The EPOCH Collaboration: An Individual Participant Data Prospective Meta-Analysis of Four Randomized Controlled Trials. Pediatr Obes 2020 Jun; 15(6): e12618
Wiegand S, Kühnen P. Adipositas ist nur selten heilbar: Individuelle Konzepte und therapieprogramme für Kinder und Jugendliche. Bundesgesundheitsbl 2020; 63: 821-830
Singh AS et al. Tracking of childhood overweight into adulthood: a systematic review of the literature. Obes Rev 2008; 474-488
Jansen Ian et al. Utility of Childhood BMI in the Prediction of Adulthood Disease: Comparison of National and International References. Obes Res 2005 Jun; 13(6): 1106-1115
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