02.2016
Autor Dr. J. Hower, Pädiater
Eltern führen die Unruhe ihres Säuglings häufig auf die Unverträglichkeit von Formula-Milchen zurück. Aus diesen Gründen wird häufig die Milch gewechselt. An die Stelle der normalen Lactose-enthaltenden Säuglings-Formula-Milch wird dann meist eine Lactose-freie Formula-Milch oder eine Soja-Milch verwendet, um diesem Problem zu begegnen.
Methode: In einer randomisierten, doppel-blind kontrollierten Studie wurden jetzt die Auswirkungen unterschiedlicher Formula-Milchen auf das Verhalten von unruhigen Säuglingen untersucht.
Säuglinge mit Verhaltensproblemen und einem mittleren Alter von 5 Wochen wurden auf drei Behandlungsarme randomisiert. Sie erhielten entweder eine Lactose-freie Milch (LFM, N=96) oder eine Soja-Milch (LFSM, N=97) oder eine Lactose-haltige Milch (LHM, N= 103). Die Studiennahrung war über 14 Tage die einzige Nahrungsquelle der Kinder. Die Eltern oder Betreuer des Kindes dokumentierten eine Woche vor Studienbeginn das Verhalten und den durch das Kind verursachten eigenen Stress.
Ergebnis: Die Ergebnisse nach 14 Tagen zeigten, dass die Säuglinge, die LFM oder LFSM erhielten, sich nicht signifikant in ihrem Verhalten von den Säuglingen unterschieden, die normale Formula-Milch (LHM) erhalten hatten. Über alle Gruppen besserte sich über den Beobachtungszeitraum das kindliche Verhalten im Vergleich zum Studienbeginn.
Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass LFM oder LFSM das Verhalten der Säuglinge nicht signifikant verändern.
Referenz: Sherman, Al et al. Lactose-free milk or soy-based formula do not improve caregivers’ distress or perceptions of difficult infant behavior. J Pediatr Gastroenterol Nutr Jul, 61: 115
Kommentar: Es mag weniger medizinische Gründe für eine Lactose-freie Säuglingsmilch als Verordnungen in der Praxis geben. Eine LFM ist medizinisch bei einem angeborenen Lactase-Mangel und einer Galactosämie indiziert. Eine Lactose-freie, eine Lactose-reduzierte oder eine Soja-Milch werden wegen der zunehmend verzweifelten Eltern im kinderärztlichen Alltag aber häufig für schreiende, unruhige Säuglinge ohne medizinische Indikation verordnet. Dies geschieht mit zweifelhaften Erfolgsaussichten, wie die prospektive, randomisierte, doppel-blind durchgeführte Studie von Sherman et al. belegt. Weder gibt es einen Anhalt für einen Nutzen Lactose-freier oder Lactose-reduzierter Milch noch für den Nutzen einer häufig verordneten Soja-Milch bei unruhigen Säuglingen. Allein die Veränderung des Lactosegehaltes führt also zu keiner Verbesserung des Verhaltens. Der von den Eltern wahrgenommene Nutzen beim Wechsel der Formula-Milch findet unabhängig von der Art der neuen Formula-Milch statt, wie die Studie gezeigt hat. Auch die Lactose-freie Formula-Milch ermöglicht eine normale kindliche Entwicklung.
Bei Soja-Produkten sollte bedacht werden, dass diese bei Säuglingen mit einer kongenitalen (angeborenen) Hypothyreose Einfluss auf die Resorption von L-Thyroxin nehmen können.
Für die Eltern bleibt der Trost, dass sich die Unruhe des Kindes unabhängig von der gefütterten Formula-Milch mit der Zeit bessert. Dies mag nicht zuletzt auch auf die zunehmende Erfahrung (Resilienz) der Eltern im Umgang mit den negativen Äußerungen ihres Kindes zurückzuführen sein.
Referenzen: Sherman, Al et al. Lactose-free milk or soy-based formula do not improve caregivers’ distress or perceptions of difficult infant behavior. J Pediatr Gastroenterol Nutr Jul, 61: 115
Lasekan, JB et al. Lactose-free milk protein-based infant formula: impact on growth and gastrointestinal tolerance in infants. Clin Pediatr (Phila) 2011 Apr, 50(4): 330-337
Fruzza, AG et al. Unawareness of the effects of soy intake on the management of congenital hypothyroidism. Pediatrics 2012 Sept, 130(3): e699-702