04.2019
Autor Dr. J. Hower, Pädiater
Atopische Erkrankungen nehmen zu und betreffen vor allem das Kindes- und Jugendalter.
Die partiell hydrolysierten Formula-Milchen (PHF) wurden mit der Vorstellung entwickelt, die Allergenität der Kuhmilchproteine in den Kuhmilch-Formula-Milchen (KMF) und damit auch das Atopierisiko zu reduzieren. Hydrolisierte Säuglingsnahrungen (HA-Nahrungen) werden zu diesem Zweck weltweit zur Prävention allergischer Erkrankungen bis zum Alter von 2 Jahren empfohlen.
Das Review geht der Frage nach: Sollten PHF auch für Säuglinge ohne familiäre Risikofaktoren (>50 % aller atopischen Kinder) zur Allergieprävention empfohlen werden?
Gibt es einen Nutzen oder umgekehrt gar ein Risiko für die kindliche Entwicklung?
Eine Gruppe von internationalen Kinderallergologen und Kindergastroenterologen hat dazu auf Basis einer Literaturrecherche eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet.
Ergebnisse: Zwölf Publikationen konnten zum Proteingehalt und zur Proteinstruktur von KMF und PHF identifiziert werden.
- Es gab keine Hinweise auf eine mögliche Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung durch eine ergänzende PHF-Fütterung im Vergleich zur ergänzenden KMF-Fütterung. Die Experten kamen darin überein, dass die Verwendung der auf dem Markt befindlichen, den Zulassungsanforderungen entsprechenden PHF so sicher ist wie die nicht hydrolysierten KMF-Milchen. Da die Studien vergleichbare Ernährungsparameter für beide Milcharten aufweisen, scheinen auch die vergleichbaren Ergebnisse zu Wachstum und Entwicklung plausibel zu sein.
- Es konnten keine qualitativ hochwertigen Studien gefunden werden, in denen der Einsatz von PHF zur Vorbeugung allergischer Erkrankungen bei Säuglingen ohne familiäre Risikofaktoren untersucht worden war. Vorläufige Daten deuten darauf hin, dass die Verwendung von PHF im Vergleich zu KMF bei nicht ausschließlich gestillten Säuglingen mit einer verbesserten Magenentleerung, einer geringeren Kolik-Inzidenz und anderen funktionellen Magen-Darm-Symptomen verbunden sein könnte.
- Studien zu einem direkten Vergleich unterschiedlicher PHF liegen nicht vor. Die Experten stimmten darin überein, dass Wachstum, Allergenität, Verträglichkeit, Wirksamkeit und die klinische Bedeutung einzelner Produkte voneinander abweichen können.
Fazit: Der Expertenkonsens hält PHF und KMF in Bezug auf Wachstum und Entwicklung für gleichermaßen sicher. Die präventive Wirkung von PHF auf die Allergieentwicklung bei Säuglingen, die keine Risikofaktoren aufweisen, wurde bisher nicht ausreichend untersucht.
Referenz:
Vandenplas Y et al. Partially hydrolyzed formula in non-exclusively breastfed infants: A systematic review and expert consensus. Nutrition 2019 Jan; 57: 268–274
Kommentar: Asthma, Ekzeme, Nahrungsmittelallergien und allergische Rhinitis gehören weltweit zu den häufigsten chronischen pädiatrischen Erkrankungen. Stillen ist die optimale Art, Säuglinge zu ernähren.
Für Säuglinge, die nicht gestillt werden können, wird eine Säuglingsanfangsnahrung überwiegend auf der Basis von Kuhmilch empfohlen. Einige Studien haben vermuten lassen, dass teilweise hydrolysierte Formula-Milch das Risiko allergischer Erkrankungen im Vergleich zu nicht hydrolysierten Nahrungen verringern kann. Der Nachweis für eine präventive Wirkung hydrolysierter Formeln auf allergische Rhinitis, Lebensmittelallergie und Asthma ist jedoch bisher inkonsistent und unzureichend.
Die qualitativen Veränderungen der Peptide durch die angewandte Hydrolysemethode und der Hydrolysegrad können die mögliche präventive Wirkung der jeweiligen partiell hydrolysierten Formula-Milch auf das potenzielle Atopierisiko beeinflussen. Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse unterschiedlicher klinischer Studien mit unterschiedlicher Milch und vielleicht unterschiedlicher Allergenität sind begrenzt. Deshalb können Vandenplas et al. in der aktuellen Studie auch keine allgemeine Empfehlung zur ergänzenden Gabe einer partiell hydrolysierten Formula für nicht exklusiv gestillte Kinder ohne familiäre Allergievorbelastung geben.
Das „Committee on Nutrition“ der „American Academy of Pediatrics“ schreibt in einer aktuellen Stellungnahme, dass es keine ausreichende Evidenz für den Einsatz von partiell hydrolysierter Milch zur Vermeidung von Atopie und Allergien gibt. Wie die Ergebnisse prospektiver Studien im Säuglingsalter belegen, scheint eine Sensibilisierung gegen Nahrungsallergene zumindest teilweise über eine entzündliche Barrierestörung der Haut zu erfolgen, die durch eine Vielzahl extrinsischer und intrinsischer Faktoren hervorgerufen wird.