Lieber Besucher, diese Webseite richtet sich ausschließlich an medizinische Fachkreise.

Ich gehöre einer medizinischen Berufsgruppe an

Nein

Menü

Atopische Dermatitis: Welchen Einfluss hat der pränatale Omega-3- und Omega-6-Fettsäurespiegel?

02.2020
Autor Dr. Jürgen Hower, Pädiater
aus Mühlheim a.d. Ruhr

Die atopische Dermatitis (AD) gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Säuglings- und Kindesalter. Es konnte bisher nicht geklärt werden, ob die AD durch einen zu hohen pränatalen Omega-6-Spiegel (n-6) bzw. einen zu niedrigen Omega-3-Spiegel (n-3, anti-inflammatorische Metabolite) verstärkt auftritt.

Studiendesign: Zur Überprüfung der Hypothese wurden Mutter-Kind-Paare unterschiedlicher Ethnien am „University of Tennessee Health Sciences Center“ rekrutiert. Der Plasma-Spiegel der mehrfach ungesättigten Fettsäuren n-3 und n-6 und ihr Verhältnis zueinander (n-6:n-3) wurden im 2. Schwangerschafts-Trimester erfasst. Die Kinder wurden im Alter zwischen 4 und 6 Jahren auf Symptome einer Atopie untersucht. Der Zusammenhang zwischen PUFA (polyunsaturated fatty acids) -Exposition und Neurodermitis wurde unter Berücksichtigung potenzieller Störfaktoren (Tabakkonsum in der Schwangerschaft, kindliches Geschlecht, Atopie in der Familienvorgeschichte) erfasst.

Ergebnisse: Von den 1.131 rekrutierten Frauen (67 % Afro-Amerikanerinnen) wiesen 42 % eine Atopie-Vorgeschichte auf. Bei 17 % der nachverfolgten Kinder konnten im Alter zwischen 4 und 6 Jahren die Symptome einer atopischen Dermatitis nachgewiesen werden. Höhere pränatale n-6 PUFAs waren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine atopische Dermatitis verbunden. In dieser ethnisch unterschiedlichen Kohorte waren höhere n-6-Werte nur bei den Frauen mit einer kindlichen Atopie assoziiert, die ebenfalls unter einer Atopie litten (familiäre Prädisposition).

Referenz
Gardner KG et al. Prenatal Omega-3 and Omega-6 Polyunsaturated Fatty Acids and Childhood Atopic Dermatitis. J Allergy Clin Immunol Pract 2019 Oct 15; pii S2213-2198(19)30857-8

Kommentar: Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass die weltweite Prävalenz von Allergien zu schnell eskaliert ist, als dass sie mit genetischen Veränderungen erklärt werden könnte. Es wird deshalb allgemein unterstellt, dass die zunehmend gehäuft auftretenden Allergien neben genetischen über weitere Faktoren erklärt werden müssen, z. B. über veränderte Lebensumfelder, Lifestyle-Faktoren und Ernährung. Es ist aus tierexperimentellen und klinischen Studien bekannt, dass die Art der Ernährung – vor allem bioaktive, ungesättigte Fettsäuren und ihre Metaboliten – die Funktionen des Immunsystem beeinflusst. Viele Einzelheiten sind bisher unklar geblieben. Dies hat bei einer nicht gesicherten Datenlage zu kontroversen Diskussionen zur Rolle einzelner Ernährungsfaktoren in der Pathogenese der AD geführt. Hierbei scheint die Fettaufnahme, insbesondere die Aufnahme der essentiellen, langkettigen und mehrfach ungesättigten Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren (PUFAS) eine besondere Bedeutung zu besitzen.

Die moderne Landwirtschaft hat zu übermäßigen Mengen an Omega-6-PUFAs und zu niedrigeren Mengen an Omega-3-PUFAs in westlichen Diäten geführt. Das Verhältnis zwischen n-6-PUFAs (Omega-6-Fettsäuren) und n-3-PUFAs (Omega-3-Fettsäuren) hat sich in einigen westlichen Kulturen von einem Verhältnis von 1:1 (n-6:n-3) zu einem Verhältnis von 20:1 (n-6:n-3) und mehr verändert. Diäten mit einem hohen Gehalt an Omega-6-Fettsäuren führen im Gegensatz zu Omega-3-Fettsäuren (anti-inflammatorische Endprodukte Resolvine, Maresine und Protectine) über den Abbau zur Arachidonsäure (AA) und AA-Eicosanoiden zu überwiegend stärkeren, entzündungsfördernden Endprodukten (Prostaglandine, Leukotriene). Es ist deshalb plausibel zu vermuten, dass die vermehrte Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren (vermehrt inflammatorische Metabolite) zu stärkeren entzündlichen Reaktionen des Immunsystems führt. Möglicherweise wird damit auch die Entwicklung IgE-vermittelter allergisch-entzündlicher Erkrankungen beeinflusst.
Zuletzt hat ein systematischer Review von Best et al. gezeigt, dass ein hoher Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in der mütterlichen Diät das Auftreten allergischer Erkrankungen im Kindesalter mindern kann. Die inkonsistenten Ergebnisse heterogener Studien reichen für eine gesicherte Aussage zur Genese allergischer Erkrankungen jedoch noch nicht aus. Interaktionen zwischen Genetik, Ernährung und Lebensstil scheinen insgesamt das kindliche Atopie-Risiko bereits während der Schwangerschaft zu beeinflussen.

Fazit: Gesichert scheint, dass die Einhaltung eines mediterranen Ernährungsstils sich vorteilhaft auf die Gesundheit werdender Mütter und das Atopie-Risiko ihres Nachwuchses auswirkt. Mit einer mediterranen Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, können werdende Mütter ohne Nebenwirkungen die Wahrscheinlichkeit für einen Schwangerschaftsdiabetes mellitus und eine kindliche Atopie signifikant verringern, wie Amati et al. in ihrer aktuellen Studie berichten. Der Einfluss des Omega-6-/Omega-3-Quotienten auf die Genese der Atopie bedarf jedoch weiterer Studien, um die vorhandenen Ergebnisse zu bestätigen.

Referenzen
Gardner KG et al. Prenatal Omega-3 and Omega-6 Polyunsaturated Fatty Acids and Childhood Atopic Dermatitis. J Allergy Clin Immunol Pract 2019 Oct 15; pii S2213-2198(19)30857-8
Kumar NG et al. Dietary Bioactive Fatty Acids as Modulators of Immune function: Implications on Human Health. Nutrients 2019 Dec 5; 11(12). Pii: E2974
Simopoulis AP. An Increase in the Omega-6/Omega-3 Fatty Acid Ration Increases the Risk for Obesity. Nutrients 2016 Mar 2; 8(3): 128
Best KP et al. Omega-3 log-chain PUFA intake during pregnancy a and allergic disease outcomes in the offspring: a systematic review and meta-analysis of observational studies and randomized controlled trials. Am J Clin Nutr 2016 Jan; 103(1): 128-143
Bédard A et al. Mediterranean diet during pregnancy and childhood respiratory and atopic outcomes: birth cohort study. Eur Respir J 2019 Dec 12. Pii: 1901215
Amati F et al. The Impact of Mediterranean Dietary Patterns During Pregnancy on Maternal and Offspring Health. Nutrients 2019 May 17; 11(5) pii: E 1098