04.2019
Autorin Frau L. Mönter, Hebamme aus Frechen
In der Arbeit mit Schwangeren zeigt sich immer wieder, dass Frauen unterschiedliche Einstellungen zu den Themen Schwangerschaft und Geburt haben. Jede Schwangere ist individuell geprägt und bewertet eine bevorstehende Geburt verschieden. Von Vorfreude bis Angst sind alle Emotionen vertreten.
Wenn jedoch das Gefühl der Angst lähmend und überwältigend wirkt, spricht man von einer Tokophobie. Definiert ist diese als eine starke, pathologische, unbegründete Angst vor einer Schwangerschaft oder Geburt. Die Prävalenz dieser pathologischen Angst liegt etwa bei 14 % weltweit und bei 8 % in Europa (O’Connell, 2017).
Ursachen
Das internationale Projekt „Fear of Childbirth“ hat mögliche Ursachen für eine erhöhte Angst vor Schwangerschaft und Geburt identifiziert. Die Auswertung von 720 Fragebögen, ausgefüllt von Studierenden der Universität Bamberg, ergab einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von visuellen Medien (Videos, Filme, Fernsehen etc.) als Hauptinformationsquelle und Tokophobie. Junge Erwachsene, welche visuelle Medien als Hauptinformationsquelle angaben, wiesen signifikant häufiger eine erhöhte Angst auf als solche, die andere Informationsquellen bevorzugten, wie Druckmedien oder Berichte von Freunden oder Verwandten. Zudem wurde die Hauptinformationsquelle Gesundheits- und Sexualerziehung in der Schule als Risikofaktor für erhöhte Angst identifiziert (Streffing, 2015).
Diese Ergebnisse verdeutlichen den negativen Effekt, den Film und Fernsehen auf junge Menschen in Bezug auf ihre Einstellung zu den Themen Schwangerschaft und Geburt haben können. Die Darstellung einer Vielzahl dramatischer Geburten prägt die Einstellung der Zuschauer und vermittelt den Eindruck, eine schwangere oder gebärende Frau sei zu jeder Zeit in unmittelbarer Gefahr (Stoll & Hall, 2013).
Vergleicht man die deutschen Ergebnisse von „Fear of Childbirth“ mit denen aus anderen Ländern, fällt auf, dass nur in Deutschland auch die Informationsquelle Gesundheits- und Sexualaufklärung in der Schule mit einer signifikanten Erhöhung der Angst korreliert. Dies verdeutlicht die große Relevanz von professioneller Sexualaufklärung an Schulen. Schon hier werden zukünftige Eltern geprägt und ihre Einstellung zu Schwangerschaft und Geburt beeinflusst. Eine mögliche Herangehensweise ist daher die Einbindung von Hebammen in die Sexualaufklärung an Schulen, um das Verständnis von Geburt als physiologischer Prozess schon früh zu stärken und damit Ängste zu nehmen (Pflanz, 2014).
Folgen & Identifikation
Die Auswirkungen von Tokophobie sind weitreichend. So können Betroffene unter Schlaflosigkeit und Depressionen leiden. Die Angst erhöht die Rate an Wunsch- und Notfallkaiserschnitten. Das Geburtserlebnis wird häufiger als negativ bewertet und die Frauen leiden vermehrt unter emotionaler Instabilität und einem Gefühl des Versagens nach der Geburt (Otley, 2011).
Die Identifikation einer Frau mit Tokophobie ist eine große Herausforderung. Hierfür haben Wijma, Wijma und Zar (1998) den Wijma Delivery Expectancy Questionnaire (W-DEQ) erstellt, der 33 verschiedene Erwartungen erfragt und der Frau die Möglichkeit gibt, Ängste auf einer Skala von 1 bis 6 zu bewerten.
Behandlung
Der Review von Friedli (2014) beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche Therapien bei Tokophobie effektiv sind und welchen Handlungsspielraum Hebammen in der Betreuung von betroffenen Frauen haben. Der Review kommt zu dem Ergebnis, dass besonders psychoedukative Gruppentherapien erfolgreich bei der Behandlung von Tokophobie sind. Zudem ist es die Aufgabe der Betreuungspersonen, die Selbstwirksamkeit der Frau durch extensive Unterstützung zu stärken und mit ihr in einen intensiven Austausch zu treten, damit die Frau ihre Ängste verbalisieren kann. Es gilt, die individuellen Bedürfnisse jeder Betroffenen zu erkennen und spezifisch darauf einzugehen.