08.2022
Autor Professor E. Harms, Universitäts-Kinderklinik Münster
Als Placebo-Effekt wird die messbare Wirksamkeit eines Scheinmedikaments bezeichnet. Besonders
im Bereich der Schmerztherapie und der Behandlung funktionaler Magen-Darmstörungen sind deutliche Placebo-Effekte gemessen worden. Eigentlich war man der Ansicht, dass die Verblindung der Patienten die Voraussetzung für die Messung eines Placebo-Effektes ist. Seit einigen Jahren ist aus der Erwachsenenmedizin bekannt, dass es auch bei mit Wissen des Patienten verabreichtem Placebo (OLP, open-label Placebo) wirksame Effekte geben kann. In einer multizentrischen, randomisierten Crossover-Studie hat jetzt eine US-amerikanische Gruppe untersucht, ob die unverblindete Gabe von Placebo bei Kindern mit funktionellen abdominalen Beschwerden oder Colon irritabile die Beschwerden der Patienten vermindern kann [1].
30 Patienten im Alter zwischen 8 und 18 Jahren – 16 mit funktionalen Bauchschmerzen, 14 mit Colon irritabile – wurden in die Studie aufgenommen. Den Patienten und Familien wurde erklärt, dass das Placebo keinen Wirkstoff enthält, man aber auch schon gute Erfahrungen mit seiner Wirksamkeit gemacht habe. Die Patienten führten ein Schmerztagebuch. Es war ihnen erlaubt, während der Studie im Bedarfsfall 0,125 mg Hyoscyamin-Tabletten als Rescue-Medikament bis zu 4-mal täglich zu nehmen. Das Placebo wurde als Saccharose-Lösung 2 x 1,5 ml täglich oral appliziert. Es wurden 2 Gruppen gebildet.
Gruppe 1: 3 Wochen Tagebuch, bei Bedarf Rescue-Medikation, dann für 3 Wochen Placebo, Tagebuch, evtl. Rescue-Medikation.
Gruppe 2: umgekehrte 3-wöchentliche Reihenfolge. Während der Placebo-Phase nahmen die Anzahl der Schmerzepisoden (von 45,0 auf 39,9) und der Verbrauch des Rescue-Medikaments (von 3,8 auf 2,0) in beiden Gruppen signifikant ab.