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Nahrungsallergien den Schrecken nehmen?

05.2024
Autor Dr. Martin Claßen, Bremen

Kinder mit IgE-vermittelten Nahrungsallergien können mit schweren anaphylaktischen Reaktionen auf die Ingestion des auslösenden Allergens reagieren; es besteht sogar ein Risiko tödlicher Fälle. Bisher kann nur für die Erdnussallergie eine Therapieoption in Form der oralen Hyposensibilisierung angeboten werden.
Ein gänzlich anderer Ansatz wurde nun in den USA durch die Behandlung mit dem monoklonalen Anti-IgE-Antikörper Omalizumab bei Kindern und Jugendlichen mit hochgradigen Allergien gegen Nahrungsproteine getestet. Dazu wurden 177 Kinder und Jugendliche (1 bis 17 Jahre) 1 : 2 randomisiert; 118 (67 %) erhielten Omalizumab alle 2 bis 4 Wochen für 16 bis 20 Wochen subkutan. Alle hatten eine durch Provokation nachgewiesene hochgradige Allergie gegen Erdnuss und mindestens zwei andere Nahrungsmittel (Cashew, Milch, Hühnerei, Walnuss, Weizen oder Haselnuss).
79 von 118 (67 %) der Omalizumabgruppe und 4 von 59 (7 %) der Placebogruppe vertrugen am Ende 600 mg Erdnuss (60 % Differenz; 95 % CI 47-70 %; p < 0,001). Auch für die anderen Proteine wie Cashew (> 1000 mg; 41 % Verträglichkeit unter Omalizumab versus 3 % in der Placebogruppe), Ei (67 % versus 0 %) und Milch (66 % versus 10 %) verbesserte sich die Toleranz.

Kommentar: Bei Kindern mit Anaphylaxie-Risiko leben Eltern und Betreuende in großer Angst vor einer versehentlichen Zufuhr von allergenen Nahrungsmitteln. Bisher gab es insbesondere für Kuhmilch, Hühnerei und Baumnüsse keinerlei Therapiemöglichkeit außer der Verordnung von Adrenalin-Fertiginjektoren. Omalizumab verbessert offensichtlich die Toleranz gegen die Nahrungsmittel mit einer annähernd 60-prozentigen Differenz zu Plazebo bei allen getesteten Allergenen. Die tolerierte Dosis steigt in vielen Fällen so deutlich an, dass eine akzidentelle Exposition kleiner Mengen nicht zu einer anaphylaktischen Reaktion führen würde. Die Wirkung blieb über die Dauer der Studie stabil.
Omalizumab kommt insbesondere für Kinder mit Reaktionen auf mehrere Allergene in Frage; bei isolierter Erdnussallergie müsste man mit der oralen Hyposensibilisierung vergleichen. Die Behandlung ist aufwändig und teuer und sollte bezüglich der Kosteneffektivität sowie Auswirkungen auf Lebensqualität und Langzeiteffekte noch weiter überprüft werden.

Referenzen:
Wood RA et al. Omalizumab for the Treatment of Multiple Food Allergies. N Engl J Med. 2024 Mar 7; 390(10): 889-899. doi: 10.1056/NEJMoa2312382. Epub 2024 Feb 25. PMID: 38407394.