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Gestörte Barrieren

09.2024
Autor Dr. Martin Claßen, Bremen

Atopische Erkrankungen und chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) haben eine Reihe von pathophysiologischen Gemeinsamkeiten. Ob atopische Erkrankungen in der frühen Kindheit mit einer späteren Manifestation einer CED assoziiert sind, wurde in einer großen, populationsbasierten Studie in Schweden und Norwegen untersucht. Dazu wurden zwei Geburtskohorten – All Babies in Southeast Sweden (ABIS) und Norwegian Mother, Father, and Child (MoBa) – longitudinal verfolgt. Im Alter von 1 und 3 Jahren wurde die Prävalenz von atopischen Erkrankungen erfasst. In den Folgejahren wurde über maximal 23 Jahre in nationalen Patientenregistern in den Kohorten nach den CED-Diagnosen gesucht.
83.311 Kinder wurden inkludiert und über 1.174.756 Personenjahre nachverfolgt. Dabei wurde bei 301 Personen eine CED diagnostiziert. Kinder mit einer atopischen Dermatitis im Alter von 3 Jahren hatten ein erhöhtes Risiko, an einer CED (hazard ratio = 1.46 [95 % CI = 1.13-1.88]), einem M. Crohn (HR = 1.53 [95 % CI = 1.04-2.26]) oder einer Colitis ulcerosa zu erkranken (HR = 1.78 [95 % CI = 1.15-2.75]). Bei anderen atopischen Erkrankungen (Asthma, allergische Rhinitis) konnte keine signifikante Risikoerhöhung gefunden werden.

Kommentar: Die Inzidenz chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) steigt in den letzten Jahrzehnten insbesondere bei Jugendlichen kontinuierlich an und nimmt erhebliche Ausmaße an. Dabei spielen ebenso wie bei den atopischen Erkrankungen Umweltfaktoren, Ernährung und das Darmmikrobiom eine große Rolle. Aber auch genetische Faktoren haben einen Einfluss auf das Risiko, an einer CED oder einer atopischen Störung zu erkranken. Beteiligt sind Gene, die Einfluss auf Immunfunktion, Zytokin-Produktion und Barrierefunktion haben.
Inwiefern diese beiden Krankheitsbereiche verknüpft sind, konnte in dieser großen Studie weiter eingegrenzt werden. Interessant ist die Risikoerhöhung für CED nur bei Kindern mit atopischer Dermatitis, also zwei Erkrankungen mit Barrierestörungen, nicht bei anderen atopischen Manifestationen. Die Ergebnisse der Studie können zum Verständnis beitragen und Pädiater*innen animieren, gerade mit den Eltern von Kindern mit atopischer Dermatitis über Risikofaktoren für CED zu sprechen: Rauchen, ultra-prozessierte Nahrungen, Antibiotikatherapien, Fleisch- und Wurstkonsum.

Referenzen:
Lerchova T, Størdal K, Andersson B, Ludvigsson J, Mårild K. Atopic Dermatitis in Early Childhood and Risk of Inflammatory Bowel Disease: A Scandinavian Birth Cohort Study. J Pediatr. 2024 Jul;270:114027. doi: 10.1016/j.jpeds.2024.114027.